„Varnsdorfer Zeiten“. Das tschechisch-sorbische Schulbildungsprojekt im Kontext der Nachkriegszeit 1945–1950
Nationale Elitenbildung war das erklärte Ziel der tschechisch-sorbischen Initiative, die sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Tschechoslowakei konstituierte. Begründet mit den Erfahrungen und Verlusten während des nationalsozialistischen Regimes, machten sich Vertreter des tschechischen Schulvereins (Ústřední matice školská), des Lausitzer Freundesvereins (Společnost přátel Lužice), des Lausitzisch-Sorbischen Nationalausschusses (Gremium der Exil-Sorben in Prag), der Domowina-Gruppen in der Tschechoslowakei sowie der wiedergegründeten Domowina in Bautzen daran, den Aufbau einer neuen sorbischen Elite in die Wege zu leiten. Ende des Jahres 1945 starteten sie ein Schulbildungsprojekt für Kinder und Jugendliche aus der Lausitz. Die Resonanz war enorm. An eigens für diesen Zweck gegründeten Schulen in Varnsdorf, Česká Lípa und Liberec erhielten zwischen 1945 und 1950 geschätzt 800 sorbische Kinder und Jugendliche eine höhere Schulbildung.
Rückblickend scheint die erklärte Absicht der damaligen Initiatoren, den Aufbau einer neuen Elite der nationalen Minderheit der Sorben zu befördern, aufgegangen zu sein. Zahlreiche Beobachter weisen auf die enorme Bedeutung der so genannten „Varnsdorfer Zeiten“ für die Elitenbildung der Sorben hin. Seit den 1990er Jahren nimmt die Schul- und Internatserfahrung hinter der sächsisch-böhmischen Grenze einen breiten Raum in der Erinnerungskultur der Sorben ein. Ungeachtet der Bedeutung wurde das Schulbildungsprojekt nur ansatzweise beschrieben und wissenschaftlich bisher nicht aufgearbeitet.
Das interdisziplinär angelegte Dachprojekt zielt auf die historische, quellen- und zeitzeugengestützte Rekonstruktion des tschechisch-sorbischen Schulbildungsprojekts im Kontext der tschechischen, sorbischen und deutschen Geschichte der Nachkriegszeit. Im Fokus stehen die Motive und Erfahrungen der beteiligten Akteure sowie die vielfältige Wirkung des Schulbildungsprojekts über das Jahr 1950 hinaus.
Einfließen werden Ergebnisse und Erfahrungen aus den bereits abgeschlossenen Projekten:
- „Sorbische Lausitz“ (T)Räume einer nationalen Minderheit von 1918 bis heute (Drittmittelprojekt)
- Ausstellungsvorbereitung: „Die Freiheit winkt!“ Die Sorben und die Minderheitenfrage nach 1918 (Drittmittelprojekt)
Dieses interdisziplinäre Dachprojekt enthält zwei Teilvorhaben:
Ergebnisse
- Thomas Menzel / Jana Piňosová / Jana Šołćina / Pětš Šurman: Warnočanska generacija – wulki mały swět łužiskich dźěći w Čěskosłowakskej. Interdisciplinarny projekt Serbskeho instituta: Tuchwilny staw rěčespytnych a historiskich slědźenjow. In: Lětopis 68(2021)1, S. 3–20.
Projektbeteiligte: Robert Lorenz