Bautzen, Varnsdorf - 23.11.2024

„Warnoćicy. Sorbische Spuren“ – Kulturhistorischer Lehrpfad über das Bildungswesen in der Nachkriegszeit

Am 15. November 2024 wurde im tschechischen Varnsdorf in Nordböhmen der audiovisuelle, dreisprachige Lehrpfad feierlich eingeweiht, der vor Ort und online im Wissensportal SORABICON besichtigt werden kann. 

Rund 90 Interessierte kamen vergangenen Freitag nach Varnsdorf (CZ) zur feierlichen Einweihung des kulturhistorischen Lehrpfads „Warnoćicy. Sorbische Spuren“. Der audiovisuelle, dreisprachige Lehrpfad beschäftigt sich mit der Geschichte der Sorben in Varnsdorf in der Nachkriegszeit, als die Stadt ein Zentrum des sorbischen Lebens in Böhmen und der wichtigste sorbische Bildungsort war. Es waren bewegende Augenblicke für die Zeitzeugen, sich wieder an ihrem früheren Schulort zu treffen und den Lehrpfad zu besichtigen.

Eingeladen haben das Sorbische Institut, Schülerinnen und Schüler der 11. und 12. Klasse des Sorbischen Gymnasiums Bautzen und des Gymnasiums Varnsdorf sowie die Stadtbibliothek und das Museum Varnsdorf. Der Bürgermeister der Stadt Varnsdorf, Jan Šimek, drückte in seinem Grußwort seine große Freude über das Gelingen des grenzüberschreitenden Projekts aus, der einen ihm bis dahin nicht bekannten, positiven Ausschnitt der Varnsdorfer Geschichte vermittelt. Neben der der Stiftung für das sorbische Volk unterstützte das Projekt finanziell der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds. Dessen Vertreter Jacob Venuß lobte die Vielschichtigkeit des Projekts, das den Schülern auf beiden Seiten der Grenze kreativ Geschichte vermittelt, die zudem online zugänglich bleibt. Besonders bewegend waren die kurzen Einblicke der drei Zeitzeugen Jan Bresan, Helmut Groß und Jurij Wjacławk, die den Besuchern in der historischen Aula des Gymnasiums Varnsdorf über ihre Schuljahre berichteten.

Der Lehrpfad entstand in den vergangenen zwei Jahren und ist online zugänglich im Wissensportal des  Sorbischen Instituts www.sorabicon.de. Im digitalen Angebot sind neben historischen Fotos, Zeitungsausschnitten, Plakaten und kurzen Beschreibungen auch Audios mit Zitaten damaliger, sorbischer Schüler abrufbar, die von ihren Erlebnissen und Erfahrungen erzählen. Die Audios und Texte sind auf Deutsch, Sorbisch und Tschechisch verfügbar. Wer den Lehrpfad vor Ort besichtigt, gelangt mittels QR-Code von den in Varnsdorf angebrachten Tafeln und Stelen direkt zur Sammlung im SORABICON.

„Das Besondere an diesem Projekt war die aktive Beteiligung von Schülerinnen und Schülern aus Deutschland und Tschechien. Sie haben nicht nur historisches Wissen vermittelt bekommen, sondern sich selbst in die Gestaltung eines Lehrpfads eingebracht. Dabei haben sie auch ihre eigene Familiengeschichte hinterfragt und verstanden, wie eng persönliche und gesellschaftliche Geschichte miteinander verknüpft sind,“ stellt Projektleiterin Dr. Jana Piňosová, Historikerin am Sorbischen Institut, fest und fährt fort: „Das gewählte Thema war bewusst positiv – eine historische Begebenheit, die heute als hoffnungsvoll und verbindend wahrgenommen wird. Doch es ermöglichte gleichzeitig, die unmittelbare Nachkriegszeit differenziert zu betrachten: als eine Zeit, die nicht nur Hoffnung und Neubeginn, sondern auch Unrecht und Gewalt mit sich brachte. Diese Vielschichtigkeit zu erkennen, war ein zentraler Bildungsaspekt für die jungen Teilnehmer:innen.“

Hintergrund:

Die Stadt Varnsdorf (sorbisch Warnoćicy) liegt an der böhmisch-sächsischen Grenze in Tschechien. Was Varnsdorf von seinen Nachbarorten abhebt, ist die Bedeutung, die der Ort in den Jahren 1945 bis 1950 für hunderte Sorbinnen und Sorben hatte. Sie gingen hier zur Schule, erhielten eine Ausbildung oder fanden eine Arbeitsstelle. Die sorbische Community prägte das Bild der Stadt und die Stadt prägte wiederum die Menschen. Die Erinnerung an diese Zeit wird sowohl in Varnsdorf als auch in der Lausitz gepflegt.

Der Lehrpfad ordnet die Geschichte der Sorben in Varnsdorf, die historischen Hintergründe sowie die Erinnerung an diese Geschichte kritisch ein und vermittelt sie einem breiten Publikum. Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit mit lokalen Akteur:innen konzipiert und umgesetzt. Zeitzeugengespräche und Workshops in Varnsdorf und Bautzen waren unter anderem Bestandteil des Schülerprojekts. Das Projekt ist Teil des interdisziplinären Forschungsprojekts: „Varnsdorfer Zeiten“. Das tschechisch-sorbische Schulbildungsprojekt im Kontext der Nachkriegszeit 1945 – 1950.

Das Projekt wurde vom Deutsch-Tschechichen Zukunftsfonds und von der Stiftung für das sorbische Volk finanziell unterstützt, die jährlich auf der Grundlage der beschlossenen Haushalte des Deutschen Bundestages, des Landtages Brandenburg und des Sächsischen Landtages Zuwendungen aus Steuermitteln erhält.