Jahrestagung des Netzwerks zur Förderung der Sprachenvielfalt
Auf der Jahrestagung des Netzwerks zur Förderung der Sprachenvielfalt NPLD (Network to Promote Linguistic Diversity) am 8./9. Juni in Rennes (Frankreich) hat der Politikwissenschaftler Jean-Rémi Carbonneau (Abteilung Regionalentwicklung und Minderheitenschutz) das Sorbische Institut, das seit einem Jahr Mitglied des Netzwerks ist (vgl. Medieninformation), vertreten. Die NPLD-Mitglieder (regionale Regierungen, Forschungsinstitutionen und kulturelle Verbände) treffen sich jährlich an wechselnden Orten – entweder in einer der vertretenen Minderheitenregionen oder am Hauptsitz in Brüssel.
Dieses Jahr hat das Öffentliche Amt für die bretonische Sprache OPAB (Ofis Publik ar Brezhoneg) die rund 41 staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen des NPLD nach Rennes eingeladen, um über den Stand der Förderung von Minderheitensprachen in Europa zu diskutieren und sich auszutauschen. Die Veranstaltung fand im Plenarsaal des Regionalrats der Region Bretagne statt. Für das Sorbische Institut war es auch ein freudiges Wiedersehen mit Visant Roue (Abteilungsleiter Forschung und Entwicklung am OPAB) und Jocelyn Icart (Dachverein Convergéncia Occitana), die am 17. November 2022 in Cottbus neben Sébastien Quenot (Universität Korsika Pasquale Paoli) die „Strategien und Hindernisse der Sprachplanung und Revitalisierung“ in ihrer jeweiligen Region vorstellten.
Im Anschluss an die Jahresversammlung veranstaltete das NPLD am 9. Juni eine Konferenz zur intergenerationellen Vermittlung von Minderheitensprachen im mehrsprachigen Kontext. Die Grußworte sprachen Fulup Jakez (Direktor OPAB), Miquel Àngel Sureda (Vorsitzender NPLD) und Paul Molac (bretonischer Abgeordneter und OPAB Vorsitzender). Molac brachte 2021 das französische „Gesetz über den Schutz des Erbes der Regionalsprachen und ihre Förderung“ in die Nationalversammlung ein – das erste Gesetz über Minderheitensprachen, das in Frankreich nach 70 Jahren (seit dem Deixonne-Gesetz von 1951) verabschiedet wurde. In seiner Rede stellte Molac zwar fest, dass die Normalisierung der Minderheitensprachen in Frankreich voranschreitet. Er erinnerte aber auch daran, dass die „voluntaristische Politik“ ohne rechtliche Garantien des französischen Staates angesichts eines globalen Marktes, der versucht, das Englische als „langue unique“ [einzige Sprache] auf der ganzen Welt durchzusetzen, unzureichend sei und dass die Sprachenvielfalt ein Grundmerkmal der Menschheit bleiben solle.
Auf dem Konferenzprogramm standen zehn Vorträge von Regierungsmitgliedern, die in den Minderheitenregionen für die Sprachplanung und Umsetzung der Sprachenpolitik zuständig sind, aber auch von Forschenden und Vertretern der Zivilgesellschaft.
Die beiden Vorträge von Paula Kasares (Autonome Regierung Navarras) und Katell Chantreau (bretonische Soziolinguistin) zogen die Aufmerksamkeit der Delegierten besonders auf sich. Paula Kasares hob den Einfluss des soziolinguistischen Umfelds außerhalb der Familie auf die Vermittlung von Minderheitensprachen in den Familien und auf deren intergenerationelle Kontinuität hervor. Ebenso stellte sie fest, dass die Einbindung von Zugewanderten Auswirkungen auf die Minderheitensprachgemeinschaften hat, und dass Kinder die Rolle von so genannten „aktiven Agenten“ bei der sprachlichen Revitalisierung in der Gesellschaft übernehmen.
Katell Chantreau stellte die Ergebnisse ihrer – in der Bretagne mittlerweile sehr bekannten – Doktorarbeit über die Praktiken der Vermittlung des Bretonischen in Familien vor (verteidigt 2022 an der Universität Rennes 2 im Bereich Erziehungswissenschaften). In ihrer Studie (basierend auf Umfragen und Interviews) hat sie gezeigt, dass die Faktoren Kompetenzgefühl der Eltern, die Erwartungen an die Kinder, die Stimmung oder das Geschlecht der Eltern Einfluss auf die Einstellungen und Strategien bei der Vermittlung der Sprache im Alltag haben. Dies sind alles wichtige Faktoren, die auch im Fall der beiden sorbischen Sprachen berücksichtigt werden sollten, da sie unter Umständen einen großen Einfluss auf die Sprachübertragung in den Familien in der Lausitz haben können.
Nach dem Kolloquium schloss das Jahrestreffen des NPLD mit einer Exkursion nach Saint-Malo ab. Das nächste Mal kommen die Delegierten zum Forum Campus 2023 am 28./29. September in Helsinki zusammen, wenn der Gebrauch von Minderheitensprachen im Gesundheits- und Pflegebereich thematisiert wird. Die Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit der Coppieters-Stiftung und der Schwedischen Versammlung Finnlands organisiert. Die nächste Generalversammlung des NPLD wird im April 2024 in Galizien stattfinden.