Bautzen/Budyšin - 12.05.2023

„Drohender großer Schaden durch Maikäfer“

Historische Postkarte
Historische Postkarte "Frohe Pfingsten" © Universität Osnabrueck, Quelle: https://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71566803

Martin Brützke, Mitarbeiter des Sorbischen Instituts, hat ein interessantes historisches Schriftstück in den Beständen der Sorbischen Zentralbibliothek gefunden.

Im Jahr 1868 veröffentlichte Michael August Krahl (1836-1905), Lehrer in Soculahora, anonym seine Veröffentlichung „Drohender großer Schaden durch Maikäfer“ (sorbischer Originaltitel: Hrožaca wulka ſchkoda pſches mejſke bruki). Die Maikäfer hatten damals großen Schaden an der Ernte verursacht. Nicht nur in der Lausitz, auch Luxemburg und weitere Länder waren in großem Ausmaß betroffen.

Im herausragenden Stil der damaligen Zeit gibt Krahl in seiner 16-seitigen Schrift zunächst eine ausführliche Einführung, in der er den Leser davon überzeugt, warum es grundsätzlich förderlich ist Unkraut und damit Schädlinge zu bekämpfen. Angesichts der notwendigen Mühe argumentiert er, dass sich das Ausrotten ausgewachsener Käfer sowie das Sammeln von Engerlingen bereits innerhalb weniger Jahre lohnt:

„Schon im Jahre 1864 mühten sich die Landwirte der Leipziger Umgegend mit dem Auflesen der Maikäfer. Aufgrund des schlechten Wetters lasen diese damals nur 1450 Scheffel auf. Wären jedoch jene Käfer am Leben gelassen, dann wären aus diesen 1450 Scheffel Larven in diesem Jahre mindestens 145.000 Scheffel Schädlinge hervorgegangen! … Wenn aber die Vertilgung dieser über 20 Jahre fortwährend mit allem Fleiße in Angriff genommen würde, so wäre die jetzige Plage beinah überstanden.“ (S. 6/7)

Endlich fordert er den Leser auf, dass sich die beständige Mühe für die nächsten Generationen auszahlt. Es folgen genaue Hinweise, wie die Maikäfer am besten gesammelt werden und welche Baumarten sie bevorzugen. Krahl diskutiert verschiedene Methoden des Totschlags der Käfer, angesichts der Praktikabilität und deren späterer Verwertung als Dünger. Dabei räumt er ein, dass die beste Methode für die Landwirte, die kein klares Wasser verschwenden wollen, oder keine Dampfmaschine verfügbar haben, zugleich die grausamste sei. Er wünscht sich, dass dazu bald eine geeignete Maschine erfunden wird. Weiter beschreibt er, wie aus den Käferresten Dünger herstellen lässt:

„Zweckmäßiger ist jenes Verfahren, indem sie in kleineren Mengen in einem Gefäß zermahlen werden. Da diese bisher bekannte Methode der Vertilgung immer ein sehr grobes Werk ist, wäre es sehr nützlich, wenn jemand eine geeignete Maschine entwickelte, welche die Käfer sämtlich zermahlen würde.“ (S. 8)

Ist die Schrift über Maikäfer also ein Handbuch über das Vernichten und Verarbeiten von Käfern? Teilweise ja – aber nicht nur. Auch wenn der Leser in der ersten Hälfte zu diesem Eindruck kommen könnte, zeigt sich ab Seite neun, dass es Krahl grundsätzlich um vielmehr ging. Das brisante Thema ist für ihn Anlass, indirekt weitreichende programmatische Aufrufe auszudrücken. So formuliert er schon frühzeitig Gedanken, die sich heute unter dem Begriff Naturschutz zusammenfassen ließen. So führt er aus, dass die Menschen selbst die Schädlinge nicht ohne Hilfe bestimmter Vogelarten beherrschen werden können, insbesondere der Stare und Sperlinge, für die gute Bedingungen und Wohnstätten geschaffen werden müssen. Dabei spricht sich der Autor gegen die Entnahme von Eiern aus den Nestern aus, was im 19. Jahrhundert üblich war (in der Lausitz aber schon nicht mehr). Ausgehend von der Bedeutung der Vögel als Käferfresser stellt er fest, dass die Wälder und Hecken zwischen den Feldern gepflegt werden müssen. Dabei verweist er auch auf die grundsätzliche Bedeutung solcher Inseln für Boden und Landschaft:

„Aber, Leider! Wäldchen und Büsche zwischen den Feldern finden sich bei uns sehr selten. Vielmehr zerren sich unsere Wirte jeden dürren Hang hoch, um dann letztlich dort nur Dung zu verstreuen.“ (S. 11)

Weiter versuchte Krahl Sympathie für bestimmte Säugetiere, besonders Maulwürfe und Dachse zu wecken:

„Die unterschiedlichen Säugetiere helfen dem Menschen in seinem Kampf gegen das Ungeziefer. Solche nützlichen Tiere sind beispielsweise Fledermäuse, Spitzmäuse, Igel, Wiesel, Maulwürfe und Dachse.“ (S. 14)

Mit Blick auf die Geschichtsschreibung ist das Heft über Maikäfer interessant, weil es sich um ein frühes Exemplar der Schriften zur Naturschutzprogrammatik handelt. Der moderne Naturschutz und spätere Tierschutz hat sich in erster Linie ursprünglich aus dem Vogelschutz entwickelt. Damit möchte ich Krahl natürlich nicht unterstellen, dass er nach heutigem Verständnis „grün“ war. So wie Kocors Buch zum Obstanbau aus dem Jahre 1851 handelt es sich beim vorliegenden Buch um eine originäre sorbische Schrift und nicht nur um die Übersetzung einer deutschen Vorlage.

Interessant in diesem Zusammenhang: Herausgeber von Krahls Werk ist der Landwirtschaftliche Kreisverein für das königlich sächsische Markgraftum Oberlausitz. Im selben Jahr hat auch der preußische Landwirtschaftliche Centralverein der Provinz Sachsen ein spezielles Handbuch zur Maikäferabwehr herausgegeben. Man kann davon ausgehen, dass Krahl diese Schrift bekannt war, und dass er darauf reagierte und deshalb etwa bestimmte Hinweise übernahm, andere aber kritisch hinsichtlich der hiesigen Verhältnisse auswertete.
Krahls Text ist vollständig, sprachlich und rechtschreiblich modernisiert, im entsprechenden Kapitel des Buches „Zelena Radosć“ [= Grüne Freude] des Lehrers Jan Krahl aus Brohna abgedruckt. Dort wird auch sein weiteres Werk im Bereich Bildung und Schrifttum gewürdigt.

Der Digitalisat des originalen Heftes von Krahl über die Maikäfer ist online zugänglich unter http://digital.slub-dresden.de/id481089187. Das vorliegende Exemplar gehörte dem Lehrer Jan Bohuwěr Mučink aus Demitz, welcher es der sorbischen wissenschaftlichen Gesellschaft Maćica Serbska schenkte.

Stöbern Sie gern weiter im Virtuellen Lesesaal der Sorbischen Zentralbibiothek und des Sorbischen Kulturarchivs!

Der vorliegende Text ist ein Beitrag aus der Rubrik „Fundstücke aus der Sorbischen Zentralbibliothek und dem Sorbischen Kulturarchivs“.