Buchvorstellung, 13. September in Radibor: „Kulturelle Sicherheit in zweisprachigen Gemeinden“
Veranstaltungsort: Bahnhof der Inklusion Radibor e.V., Bahnhof 2, 02627 Radibor
Titel: Kulturelle Sicherheit in zweisprachigen Gemeinden am Beispiel der drohenden Nichteinrichtung einer fünften Klasse in Radwor/Radibor 2005 (erschienen als Heft 37 in der Kleinen Reihe des Sorbischen Instituts, Eigenverlag, Online-Ausgabe frei).
Die Buchvorstellung mit Autorin Karoline Brützel ist eine gemeinsame Veranstaltung des Sorbischen Instituts mit dem Bahnhof der Inklusion. Eintritt frei.
Die drohende Schließung der sorbischen Mittelschule in Radibor im Jahr 2005 ist Ausgangspunkt der Masterarbeit von Karoline Brützel. Sie sprach mit zehn Beteiligten über die Ereignisse, die rechtlichen Rahmenbedingungen und persönliche Erfahrungen und Einschätzungen. Ergebnis ist eine aufschlussreiche Studie, die die Diskrepanz zwischen objektivem Status quo und subjektivem Sicherheitsempfinden bei den Sorben beschreibt. Die jüngsten Beispiele für rechtsextrem motivierte Gewalt gegen Sorben (z. B. am Ostermontag in Schönau) zeigen, dass die Gewährleistung kultureller Sicherheit im Minderheitenkontext ein ernst zu nehmendes aktuelles Thema ist.
Die Mittelschule in Radwor/Radibor war 2005 eine von drei sorbischen Schulen, der aufgrund mangelnder Schülerzahl eine Schließung drohte. Das konnte das Oberverwaltungsgericht in Budyšin/Bautzen schließlich abwenden. Knapp zwanzig Jahre später erscheint nun eine Studie zum Thema. Dafür hat die Autorin im Oktober 2021 Interviews mit Menschen vor Ort (Amtsträger, betroffene Eltern, Schüler, Lehrer, Politiker) geführt und die entsprechende Berichterstattung gründlich ausgewertet. Die Analyse legt offen, wie kulturelle Sicherheit im Minderheitenkontext immer wieder neu verhandelt werden muss. Lesende erhalten nicht nur tiefgründige Einblicke in die Erfahrungen damals Beteiligter. Pointiert wird auch auf Diskrepanzen zwischen positiv bewerteter politisch-rechtlicher Lage sowie tatsächlicher Umsetzung und Wahrnehmung in der gelebten Praxis aufmerksam gemacht. Ausgewertet hat die Autorin ihr Studienmaterial mit Hilfe des Konzepts Kultureller Sicherheit (nach Andreas Gruschke, 2017).
Die Autorin Karoline Brützel hat für ihre Forschung eng mit dem Sorbischen Institut zusammengearbeitet. Als Absolventin des Studiengangs Soziale Nachhaltigkeit und demografischer Wandel der FU Dortmund ist sie derzeit als Sozialarbeiterin tätig. Während verschiedener Auslandsaufenthalte sammelte sie Erfahrungen zum Umgang mit kultureller Diversität, was sich in ihrer Forschung widerspiegelt.
Ein zusätzliches Kapitel widmet die Autorin dem Umgang mit Gewalterfahrung. Mit einer Zusammenstellung von Ansprechpartner:innen und Anlaufstellen bei Diskriminierungserfahrungen leisten die Handlungsempfehlungen am Ende von Kapitel drei im Buch praktische Hilfestellung. Im Fazit stellt Karoline Brützel fest: „Genauso kritisch wie die Diskriminierungserfahrungen ist die Bedrohungslage für Sorben – insbesondere sorbische Jugendliche – aufgrund von rechtsextremer Gewalt zu bewerten. Hier müssen dringend staatliche Schutzmechanismen greifen…“
Die qualitativen Interviews, die die Autorin für ihre Analyse ausgewertet hat, sollen im nächsten Schritt als Audiodateien und Transkripte dem Sorbischen Kulturarchiv überreicht werden. Diese Gespräche sind einerseits ein reicher Fundus für die weitere Forschung, etwa mit Blick auf die Zukunft des sorbischen Schulwesens. Andererseits können sie als richtungsweisende Grundlage beim Entwickeln zeitgemäßer Schulkonzepte im vergleichenden Minderheitenkontext gesehen werden.
(Wortlaut der Medieninformation des Sorbischen Instituts vom 16.5.2024, hier gekürzt)