Herder-Institut restituiert Bestände aus der Bibliothek der Maćica Serbska
Gemeinsame Medieninformation des Herder-Instituts, der Maćica Serbska und des Sorbischen Instituts
Am 16. Dezember 2022 erfolgte im Sorbischen Institut in Bautzen die Restitution von Bibliotheksbeständen der sorbischen wissenschaftlichen Gesellschaft Maćica Serbska, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Forschungsbibliothek des Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg befanden. Es handelt sich dabei um 172 Bücher und Zeitschriftenhefte, die in dem von 2016 bis 2019 durchgeführten und von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste Magdeburg geförderten Projekt „NS-Raubgutforschung in der Forschungsbibliothek des Herder-Instituts. Untersuchung des von der ehemaligen Publikationsstelle Berlin-Dahlem stammenden Teilbestandes“ eindeutig als Eigentum der Maćica Serbska identifiziert wurden. Unter den restituierten Publikationen befinden sich verschiedene Zeitschriften (Neues Lausitzisches Magazin, Baltische Studien, Niederlausitzer Mitteilungen) wie auch einzelne Bücher, unter anderem zu slawischen Siedlungen und Ortsnamen. Das älteste Exemplar ist aus dem Jahr 1798 (Lausizische Monatsschrift), das jüngste von 1933.
Die Rückgabe der Materialien erfolgt durch den Leiter der Forschungsbibliothek und stellvertretenden Direktor des Herder-Instituts, Dr. Jürgen Warmbrunn. Seitens der Maćica Serbska wird Vorsitzende Dr. Anja Pohončowa die Bände in Empfang nehmen und in die Obhut der von Wito Bejmak geleiteten Sorbischen Zentralbibliothek in Bautzen übergeben.
Die Publikationsstelle Berlin-Dahlem wurde 1931 von dem deutschnational gesinnten Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive Albert Brackmann als Publikationsfonds gegründet. Sie war zunächst am Preußischen Geheimen Staatsarchiv angesiedelt und fungierte als Geschäftsstelle der Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft. Während der NS-Zeit half sie, mit einer völkischen Argumentation die Herrschaftsansprüche des Deutschen Reichs im östlichen Europa zu untermauern.
Als wissenschaftliche Vereinigungen der Sorben in der Ober- und Niederlausitz waren die Maćica Serbska in Bautzen und die Maśica Serbska in Cottbus in der NS-Zeit von staatlicher Seite Willkür und Verfolgung ausgesetzt. 1937 wurden sämtliche Aktivitäten des Bundes wendischer Vereine Domowina verboten, 1941 das Vermögen der beiden Vereine beschlagnahmt, darunter auch die Bibliotheken. Das Reichsministerium des Innern sprach der Publikationsstelle Berlin-Dahlem den Hauptteil der beschlagnahmten Bücher und Zeitschriften zu. Dazu gehörten ebenfalls Bücher und Zeitschriften aus den Privatsammlungen von Michał Hórnik und Arnošt Muka, die in die Bibliothek der Maćica Serbska in Bautzen eingegangen waren. Weitere Nutznießer der Beschlagnahme waren die Universitätsbibliothek Leipzig und das Landratsamt in Bautzen. Wie viele andere Bibliotheken wurden die Bibliotheken der sorbischen Vereinigungen nicht nur geraubt, sondern auch ihr Sammlungszusammenhang zerstört. Im Spätwinter 1945 flohen die Mitarbeiter der Publikationsstelle vor der sowjetischen Armee aus Bautzen, wo sie eine Ausweichstelle unterhielten, nach Coburg. Mit ihnen gelangten Akten und ein großer Teil der Bibliothek in die damalige amerikanische Besatzungszone, von wo sie dann in die Vereinigten Staaten gebracht wurden. An das Herder-Institut kamen die Bände im Jahre 1964, als etwa zwei Drittel der Bibliotheksbestände der Publikationsstelle Berlin-Dahlem, die wohl zum überwiegenden Teil an die Library of Congress in Washington, D.C., gegeben worden waren, an die Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben wurden und in die Obhut des Marburger Herder-Instituts gelangten.